5. Späte Anerkennung und Entschädigung
Erst ab den 1980er-Jahren begann sich die Situation ehemaliger sowjetischer Zwangsarbeiter*innen spürbar zu ändern – insbesondere aber in den 2000er-Jahren, als es ihnen schließlich möglich wurde, eine Entschädigung aus Deutschland zu beantragen.
AUFGABE 5.1
5.1.
Die Sowjetunion war ein sozialistischer Staat. Welche anderen sozialistischen Staaten gab es im Europa des 20. Jahrhunderts? Markiert diese auf der Karte. Arbeitet dafür in Gruppen.
0 von 12 möglichen Fehlern
AUFGABE 5.2
5.2.
Lest die Texte unter „Mehr Informationen“ und arbeitet heraus, aus welchen Gründen sich die Situation ehemaliger Zwangsarbeiter*innen aus der (ehemaligen) Sowjetunion wie auch aus anderen (ehemaligen) Ländern des sozialistischen „Ostblocks“ änderte. Füllt mit Hilfe der Informationen aus den Texten die offenen Daten des Zeitstrahls aus. Überlegt anschließend in der Gruppe, welche Rolle Überlebende der NS-Verfolgung aus osteuropäischen Ländern bei den Veränderungen spielten.
Zeitstrahl
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1939
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1941
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1945
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1945–1946
zwangsweise Rückkehr der meisten Zwangsarbeiter*innen in die Sowjetunion
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1953
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1950er–1960er
Was geschah mit den ehemaligen NS-Verfolgten aus Westeuropa? Und mit denen aus Osteuropa?
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1985–1991
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1991
Zusammenbruch der Sowjetunion
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1989 bis Ende der 1990er-Jahre
Welche Prozesse liefen in Deutschland ab? Was taten ehemalige NS-Verfolgte?
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2000
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2007
Mehr Informationen
Wandel in der Sowjetunion seit den 1980er-Jahren
Josef Stalin, der als Staatschef der Sowjetunion verantwortlich für Massenterror, GULAG und viele andere Staatsverbrechen war, starb im Jahr 1953. Danach nahm die Diskriminierung ehemaliger Zwangsarbeiter*innen in der Sowjetunion ab, verschwand aber nicht völlig. Ihre Situation änderte sich spürbar erst ab Mitte der 1980er-Jahre, als in der UdSSR die sogenannte Perestroika begann. Die Perestroika (1985–1991) war eine Zeit, in der die Zensur gelockert wurde, Meinungs- und Pressefreiheit im Land entstand, der „Eiserne Vorhang“ fiel und die Regierung unter Michail Gorbatschow, dem letzten Staatschef der Sowjetunion, umfassende politische und wirtschaftliche Reformen einleitete. Mit der Lockerung der Zensur begannen Diskussionen über zuvor tabuisierte geschichtliche Ereignisse, einschließlich des Schicksals der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter*innen. Zum ersten Mal wurden sie in Zeitungen und im Fernsehen als Opfer des Zweiten Weltkriegs dargestellt.
Späte Entschädigung ehemaliger NS-Verfolgter aus (ehemals) sozialistischen Ländern Osteuropas durch die Bundesrepublik
Die meisten ehemaligen NS-Verfolgten aus Westeuropa hatten bereits in den 1950er- und 1960er-Jahren eine Entschädigung für Zwangsarbeit von der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Ehemaligen NS-Verfolgten, die ab 1945 in den sozialistischen „Ostblock“-Ländern lebten, wurde eine finanzielle Entschädigung dagegen wegen des „Kalten Krieges“ jahrzehntelang vorenthalten. Die Situation verschärfte sich dadurch, dass die NS-Verbrechen in der Sowjetunion, von denen eines die Verschleppung Tausender zur Zwangsarbeit gewesen war, viele Jahrzehnte auch gesellschaftlich nicht anerkannt, sondern aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt wurden.
Erst mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ ab Mitte der 1980er-Jahre begann sich die Aufmerksamkeit von Teilen der deutschen Öffentlichkeit auf die „vergessenen Opfer“ des Nationalsozialismus zu richten, zu denen auch die ehemaligen Zwangsarbeiter*innen aus der Sowjetunion gehörten. Im Jahr 1989 brachten die Grünen im Bundestag erstmals die Frage nach einer finanziellen Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiter*innen aus der Sowjetunion und anderen „Ostblock“-Ländern auf. Die Debatten über Entschädigung zogen sich jedoch noch durch die gesamten 1990er-Jahre. Deutsche Großkonzerne wie die Siemens AG, die Bayerische Motoren Werke AG (BMW), die Volkswagen AG, die Adam Opel GmbH und andere weigerten sich, ihre Verantwortung für den Einsatz von Zwangsarbeiter*innen während des Zweiten Weltkrieges anzuerkennen. Ihr Widerstand wurde erst in den späten 1990er-Jahren gebrochen, als Rechtsanwält*innen ehemaliger KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter*innen aus der Tschechischen Republik, der Slowakei, Polen, der Ukraine und Belarus Massenklagen gegen deutsche Unternehmen einzureichen begannen. Unter diesem zunehmenden Druck wurde im Jahr 2000 in Deutschland die staatliche Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) unter Beteiligung einiger deut scher Unternehmen gegründet.
1.665.000 ehemalige NS-Verfolgte aus Polen, der Tschechischen Republik, der Ukraine, Belarus, Russland, den baltischen Staaten und anderen postsowjetischen Ländern erhielten Entschädigungszahlungen durch die Stiftung EVZ. Voraussetzung für die Auszahlung war, dass die Antragsteller*innen versicherten, keine weiteren Entschädigungsansprüche zu stellen. Die Zahlungen endeten 2007 und damit 62 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Es ist schwer zu sagen, wie viele Tausende von Menschen gestorben waren, bevor sie die Chance auf eine Entschädigung erhielten.