„Deserteure und andere Verfolgte der NS-Militärjustiz: Die Wehrmachtgerichtsbarkeit in Hamburg“ (Rathausausstellung 2013)

Hamburg war während des Zweiten Weltkrieges einer der bedeutendsten Wehrmachtstandorte im Deutschen Reich. Am Sitz des für Norddeutschland zuständigen Wehrkreises X stationierte die Wehrmacht eine große Zahl militärischer Verbände und Kommandobehörden. Allein zwischen 1934 und 1939 entstanden hierfür 30 Neubauten, darunter mehrere Kasernenkomplexe.

Bis heute ist kaum etwas über das Wirken der Militärgerichtsbarkeit in Hamburg bekannt. In der Hansestadt waren 13 Gerichte sowie andere zentrale Dienststellen der Wehrmachtjustiz tätig, die während des Krieges für Hunderte Todesurteile verantwortlich zeichneten. Als Vollstreckungsorte dienten das Hamburger Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis in Hamburg-Neustadt und der Standortschießplatz Höltigbaum in Hamburg-Rahlstedt. An beiden Orten wurden mindestens 206 Todesurteile vollstreckt, für 21 weitere ist die Hinrichtungsstätte nicht überliefert.

Insgesamt ließen Wehrmachtgerichte während des Zweiten Weltkrieges über 30 000 Soldaten und Zivilisten, Männer und Frauen, auch aus den besetzten Ländern Europas, hinrichten. Äußerst schlechte Überlebenschancen hatten darüber hinaus kriegsgerichtlich abgeurteilte Soldaten, die in das System aus „Bewährungs- und Strafeinheiten gerieten.

Wehrmachtgerichte führten allein in Hamburg zwischen 65 000 und 90 000 Verfahren durch. Diese Ausstellung legt einen Schwerpunkt auf Biografien von Menschen, gegen die schwerste Strafen verhängt wurden. Sie rekonstruiert Lebensläufe, fragt nach Handlungsmotiven, reflektiert Urteilsgründe und sucht Antworten auf die Frage nach den Hintergründen einer furchtbaren Urteilsbilanz. Schließlich widmet sie sich der Nachgeschichte: Militärjuristen, Gerichtsherren und andere Verantwortliche wurden nicht belangt und setzten ihre Karrieren nach Kriegsende fort. Überlebende und Angehörige der Verurteilten kämpften dagegen lange Zeit vergebens für die Aufhebung der Urteile, die Rehabilitierung der Verurteilten und für Entschädigungsleistungen. Politik und Öffentlichkeit verweigerten jahrzehntelang die Anerkennung des an den Deserteuren und anderen Opfern der NS-Militärjustiz begangenen Unrechts. Erst zwischen 1998 und 2009 erkannte der Deutsche Bundestag „Wehrkraftzersetzer“, Deserteure und „Kriegsverräter“ als Opfer der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz an. Im Juni 2012 hat die Hamburgische Bürgerschaft einstimmig die Errichtung eines Denkmals für Deserteure und andere Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz beschlossen.

Die Ausstellung wurde kuratiert von Dr. Detlef Garbe, Dr. Magnus Koch und Lars Skowronski (KZ-Gedenkstätte Neuengamme). Weitere Mitarbeit erfolgte durch Claudia Bade, Herbert Diercks, Karin Schawe und Dr. Oliver von Wrochem (alle KZ-Gedenkstätte Neuengamme).

Vertiefendes Material zum Thema in der Lernwerkstatt Rathausausstellung 2013 – Tafel 01: Titelseite Rathausausstellung 2013 – Tafel 02: "Recht ist, was der Truppe nützt" Rathausausstellung 2013 – Tafel 03: "Drückeberger" und "Zersetzer": Das angebliche Versagen der deutschen Militärjustiz im Ersten Weltkrieg Rathausausstellung 2013 – Tafel 04: "Mobilmachung" des Rechts Rathausausstellung 2013 – Tafel 05: Verschärfung der Rechtsvorschriften Rathausausstellung 2013 – Tafel 06: Planmäßige Entrechtung: Das kriegsgerichtliche Verfahren Rathausausstellung 2013 – Tafel 07: "Verwahrung" und Vollzug: Wehrmachtgefängnisse, Zuchthäuser, Emslandlager Rathausausstellung 2013 – Tafel 08: "Verwahrung" und Vollzug: Straf- und "Bewährungseinheiten" Rathausausstellung 2013 – Tafel 09: Hamburg als Garnison und Standort der Wehrmachtjustiz Rathausausstellung 2013 – Tafel 10: Hamburg als Sitz des Wehrkreises X Rathausausstellung 2013 – Tafel 11: Wehrmachtgerichte in Hamburg Rathausausstellung 2013 – Tafel 12: Das Gericht des Admirals der Kriegsmarinedienststelle Hamburg Rathausausstellung 2013 – Tafel 13: Haftstätten der Militärjustiz in Hamburg Rathausausstellung 2013 – Tafel 14: Hinrichtungen in Hamburg Rathausausstellung 2013 – Tafel 15: Die Zusammenarbeit von Kriegsgerichten mit Polizei, Justiz und Ämtern Rathausausstellung 2013 – Tafel 16: Die Zusammenarbeit von Kriegsgerichten mit der Universität, Krankenhäusern und Unternehmen Rathausausstellung 2013 – Tafel 17: Akteure der Wehrmachtjustiz Rathausausstellung 2013 – Tafel 18: Wilhelm Wetzel (1888-1964): "Jeden Drückeberger trifft ohne Gnade das gleiche Schicksal" Rathausausstellung 2013 – Tafel 19: Dr. Erich Eckardt (1900-1974): "Immer menschlich in seiner Grundhaltung" Rathausausstellung 2013 – Tafel 20: Dr. Karl Lau (1895-1973): "Nur durch die Todesstrafe gerecht gesühnt" Rathausausstellung 2013 – Tafel 21: Dr. Wilhelm Purucker (1904-1958): Ein "Soldat Adolf Hitlers" Rathausausstellung 2013 – Tafel 22: Dr. Walter Krusemark (1894-1977): Verteidiger vor Hamburger Kriegsgerichten Rathausausstellung 2013 – Tafel 23: Hermann hartung (1904-1990): Marinekriegspfarrer in Hamburg und Umgebung Rathausausstellung 2013 – Tafel 24: Friedrich Hehr (1879-1952): "Ein Reisender in Sachen Tod" Rathausausstellung 2013 – Tafel 25: Verfolgte der NS-Militärjustiz in Hamburg Rathausausstellung 2013 – Tafel 26: Herbert Beling (1922-1945): "Für so ein Stückchen Brot nicht." Rathausausstellung 2013 – Tafel 27: Wladyslaw Muzyka (1895-1942): Selbstmord trotz Freispruch vor dem Reichskriegsgericht Rathausausstellung 2013 – Tafel 28: Heinrich Kempfe (1896-1945): "Rücksichten auf den Einzelnen haben zurückzutreten" Rathausausstellung 2013 – Tafel 29: Erwin Klein (1919-1944): "Ich wollte einfach fort" Rathausausstellung 2013 – Tafel 30: Willi Romeik (1917-1941): Todesurteil wegen "schwerer Schädigung des Ansehens der deutschen Wehrmacht" Rathausausstellung 2013 – Tafel 31: Ludwig Baumann (geb. 1921): "Was gibt es besseres, als den Krieg zu verraten?" Rathausausstellung 2013 – Tafel 32: Herbert Burmeister (1916-1944): Viermal Todesstrafe Rathausausstellung 2013 – Tafel 33: Willi Dittmann (1905-1945): "Warum kam er nicht wieder nach Hause?" Rathausausstellung 2013 – Tafel 34: Walter Kruse (1921-1943): "...weil das gesunde Volksempfinden die Todesstrafe als gerechte Sühne erfordert." Rathausausstellung 2013 – Tafel 35: Francoise Block-Sérazin (1913-1943): Rathausausstellung 2013 – Tafel 36: Inge Björnes (1917-1944): Todesurteil wegen Beihilfe zur Fahnenflucht Rathausausstellung 2013 – Tafel 37: Ferdinand Schönfeld (1923-1945) und Werner Enge (1924-1945): Flucht aus dem Feldstraflager Rathausausstellung 2013 – Tafel 38: Kurt Herrmann (1922-1944): "Ich war völlig durchgedreht" Rathausausstellung 2013 – Tafel 39: Franz Krohn (1919-1945): Flucht durch Europa Rathausausstellung 2013 – Tafel 40: Heinz Begler (1920-1943): "...wie im übrigen alles Schikane bei der deutschen Wehrmacht ist" Rathausausstellung 2013 – Tafel 41: Justizielle Aufarbeitung, Rehabilitierung, Entschädigung, Gedenken Rathausausstellung 2013 – Tafel 42: Freispruch für die Marinejustiz - der Fall Rudolf Petersen Rathausausstellung 2013 – Tafel 43: Straffreiheit für den Denunzianten Gerhard Barnstorf: Der Fall Kurt Elvers Rathausausstellung 2013 – Tafel 44: Verweigerte Entschädigung - das Beispiel Herbert Steinadler Rathausausstellung 2013 – Tafel 45: Der Kampf um Rehabilitierung Rathausausstellung 2013 – Tafel 46: Initiativen für Wehrmachtsdeserteure Rathausausstellung 2013 – Tafel 47: Geschichte und Gegenwart des "76er-Denkmals" in Hamburg Rathausausstellung 2013 – Tafel 48: Impressum