Leben nach dem Überleben
Erholung nach der Haft
Die ersten Wochen und Monate nach ihrer Befreiung verbrachten viele Überlebende in Lagern für „Displaced Persons“. Die Kranken wurden in Lazaretten oder Sanatorien in Hamburg und Schleswig-Holstein medizinisch versorgt. Viele von ihnen litten unter ansteckenden Krankheiten und standen unter Quarantäne. Ehemalige politische Häftlinge des KZ Neuengamme richteten im Hamburger Umland Erholungsheime ein und halfen den Überlebenden bei der Suche nach Angehörigen. Trotz der Betreuung unmittelbar nach der Befreiung hatte die KZ-Haft für viele Überlebende körperliche und seelische Langzeitfolgen, die sie ihr ganzes Leben begleiteten.
Überlebende auf der „Kronprinsessan Ingrid“, einer vom Schwedischen Roten Kreuz gecharterten Fähre, Mai 1945 (ANg). Viele Überlebende wurden zur Rekonvaleszenz nach Schweden gebracht und dort vom Roten Kreuz betreut. Häufig noch in ihrer Häftlingskleidung, krank und geschwächt, kamen sie mit der Fähre an. Viele verließen das Land zumindest körperlich gesund, um in ihre Heimat zurückzukehren. Andere entschieden sich, in Schweden zu bleiben.
Repatriierung und Emigration
Im Verlauf des Krieges waren mehr als 10 Millionen ausländische Arbeitskräfte in der deutschen Kriegswirtschaft eingesetzt worden. Nach der Befreiung standen die Alliierten vor dem Problem, die Rückkehr dieser ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und Häftlinge in ihre Heimatländer zu organisieren. So existierten manche Lager für „Displaced Persons“ jahrelang. Aus Osteuropa nach Deutschland verschleppte Menschen gingen oft nicht freiwillig in ihre Heimatländer zurück, weil sie Repressionen befürchteten. Doch auch die Überlebenden, die in ein westeuropäisches Land zurückkehrten, wurden von ihren Landsleuten nicht immer willkommen geheißen. Viele – vor allem jüdische – Überlebende beschlossen, nach Palästina bzw. Israel, Kanada oder in die USA zu emigrieren. Doch das Warten auf Einreisevisa dauerte häufig Jahre.
Entschädigung
Deutsche Überlebende, die eine Verfolgung aus politischen, „rassischen“ oder religiösen Gründen nachweisen konnten, erhielten regional unterschiedliche Leistungen, die 1953 mit dem Bundesentschädigungsgesetz vereinheitlicht wurden. Andere Verfolgte und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter blieben ausgeschlossen. Mit Israel und westlichen Staaten schloss die Bundesrepublik Wiedergutmachungsabkommen, osteuropäischen Überlebenden und im Kalten Krieg auch einigen deutschen verfolgten Kommunisten wurde lange Zeit eine „Wiedergutmachung“ verweigert. In der DDR wurden Verfolgte in „Kämpfer gegen den Faschismus“ und „Opfer des Faschismus“ unterteilt und unterschiedlich entschädigt; auch hier blieben ganze Verfolgtengruppen unberücksichtigt. Im August 2000 nahm – für die meisten Überlebenden zu spät – die Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ihre Arbeit auf.