Gedenkstätte Bullenhuser Damm
Im KZ Neuengamme führte der SS-Arzt Dr. Kurt Heißmeyer Tbc-Versuche an Häftlingen durch. Ergänzend ließ er im November 1944 zwanzig jüdische Kinder, zehn Jungen und zehn Mädchen im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren, aus dem KZ Auschwitz nach Neuengamme bringen. Betreut wurden die Kinder von zwei französischen Häftlingsärzten, den Professoren René Quenouille und Gabriel Florence, und den zwei holländischen Häftlingspflegern Anton Hölzel und Dirk Deutekom. Um das Verbrechen zu verbergen, ließ die SS-Führung die Kinder und ihre vier Betreuer wenige Tage vor Kriegsende in ein von Oktober 1944 bis Mitte April 1945 als KZ-Außenlager genutztes Schulgebäude im kriegszerstörten Stadtteil Rothenburgsort bringen und dort ermorden. In der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 wurden sie im Keller der ehemaligen Schule am Bullenhuser Damm von SS-Männern erhängt, zusammen mit mindestens 24 weiteren bis heute namentlich nicht bekannten sowjetischen Häftlingen.
Die „Gedenkstätte Bullenhuser Damm und Rosengarten für die Kinder vom Bullenhuser Damm“ erinnert an die Opfer dieses Verbrechens. Die Gedenkstätte wurde 1980 auf private Initiative durch die Vereinigung „Kinder vom Bullenhuser Damm“ eröffnet. 1999 wurde sie in städtische Trägerschaft übernommen und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme angegliedert. Die 2011 neu eröffnete Dauerausstellung (deutsch, englisch) informiert über den Ort als Schule und als Außenlager des KZ Neuengamme, über die medizinischen Experimente, die Opfer, die Morde, die Täter und den Umgang mit dem Verbrechen nach 1945. Im Rosengarten hinter dem Schulhof können Rosen zum Gedenken an die Ermordeten gepflanzt werden. Seit 1985 erinnert dort eine Bronzeplastik von Anatoli Mossitschuk an die sowjetischen Häftlinge.
Die hier zu findenden Dokumente sind zum größten Teil der 2011 neu eröffneten Austellung am Bullenhuser Damm entnommen.
Das Außenlager Bullenhuser Damm
Der Hamburger Stadtteil Rothenburgsort wurde Ende Juli 1943 durch alliierte Bombenangriffe weitgehend zerstört. In einer ehemaligen Schule am Bullenhuser Damm wurde im letzten Kriegsjahr ein Außenlager des KZ Neuengamme eingerichtet. Dort sollten 1000 KZ-Häftlinge für das SS-Unternehmen Deutsche Erd- und Steinwerke arbeiten. Die ersten Häftlinge kamen aus Polen und der Sowjetunion. Sie wurden zu Aufräumarbeiten des zerstörten Gebietes und zur Aufbereitung von Ziegeln eingesetzt.
Die Kinder
20 Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren wurden im November 1944 aus dem Konzentrationslager Auschwitz für medizinische Versuche in das KZ Neuengamme gebracht. Um die Spuren dieser grausamen Taten zu verwischen, wurden die Kinder am 20. April 1945 im Keller eines ehemaligen Schulgebäudes am Bullenhuser Damm ermordet.
Die Betreuer
Die französischen Häftlingsärzte Prof. Gabriel Florence und Dr. René Quenouille und die niederländischen Häftlingspfleger Dirk Deutekom und Anton Hölzel, als Widerstandskämpfer im KZ Neuengamme inhaftiert, waren zur Betreuung der Kinder im Krankenrevier IVa eingeteilt worden. Als Zeugen der medizinischen Experimente wurden sie ebenfalls am 20. April 1945 am Bullenhuser Damm ermordet.
Die Experimente
Ärzte nutzten die Möglichkeiten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, um medizinische Versuche an entrechteten Menschen durchzuführen. Der Reichsführer-SS Heinrich Himmler förderte solche Experimente in den Konzentrationslagern. Ab Juni 1944 konnte der Arzt Dr. Kurt Heißmeyer im KZ Neuengamme an Häftlingen experimentieren. Heißmeyer wollte eine Behandlungsmethode der damals verbreiteten bakteriellen Infektionskrankheit Tuberkulose finden.
Die Tat und Täter
Da sich die SS über die Brisanz der medizinischen Experimente an den Kindern bewusst war, wollte sie mit der Tötung der Kinder und ihrer Betreuer Opfer und Zeugen beseitigen. Dies sollte heimlich geschehen. Deshalb wurde das geräumte Außenlager Bullenhuser Damm zur Durchführung der Aktion gewählt. Dort erhängte die SS die Kinder sowie ihre Betreuer und weitere erwachsene sowjetische Häftlinge.
Nachgeschichte
Nach dem Zweiten Weltkrieg vergingen viele Jahre, bis die Morde an den Kindern, ihren Betreuern und den sowjetischen Häftlingen von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Die Tathergänge wurden 1946 in den Curiohaus-Prozessen zwar rekonstruiert und die bis dahin gefassten Täter zum Tode verurteilt, doch ein öffentliches Gedenken an die Opfer fand nicht statt. Erst im Jahr 1979 begann eine intensivere öffentliche Auseinandersetzung mit dem Verbrechen am Bullenhuser Damm.