Tagesabläufe und Lagersprache

Tagesablauf

Die Häftlinge wurden vor Tagesanbruch geweckt. Obwohl großes Gedränge herrschte, musste jeder Häftling sich innerhalb etwa einer halben Stunde waschen, das „Bett bauen“ und den Ersatzkaffee oder eine warme Brühe zu sich nehmen. Nach dem Morgenappell wurden die Kommandos eingeteilt. Den ganzen Tag wurde gearbeitet. Mittags gab es eine Pause für die Suppenausgabe. Die Arbeitszeit betrug zehn bis zwölf Stunden, in den Wintermonaten etwas weniger. Nach dem Abendappell folgte das Abendessen. Um 21 Uhr begann die kurze, wenig erholsame Nachtruhe. Seit 1943 wurde sie immer häufiger durch Fliegeralarme unterbrochen, bei denen die Häftlinge im Dunkeln unter Prügeln in die Keller der Neubauten laufen mussten. In der knappen Freizeit abends und sonntags versuchten sie, ihre Kleidung zu säubern, Mithäftlinge zu treffen und Tauschgeschäfte durchzuführen.

„‚Organisieren‘ bedeutet stehlen zum Schaden der SS.“

Victor Baeyens, ehemaliger belgischer Häftling, war von September 1941 bis Mai 1945 im KZ Neuengamme inhaftiert. Bericht „In de Schaduw van de Galg“, entstanden im November 1945, später überarbeitet. Übersetzung.

„Ein anderer Deutscher, Robert Winkler, Schuster, arbeitete im SS-Lager im Schuster-Kommando. [...] Ich habe Robert gefragt, ob er mir ein Paar Schuhe besorgen könne. Er sagte, das kostet ein ganzes Brot und etwa fünfzehn Zigaretten. Zigaretten und Brot waren immer das Zahlungsmittel für alles. [...] Ich habe einen Tag mein Brot nicht gegessen, da hatte ich am anderen Tag schon ein halbes Brot, das ich Robert gab. Und so weiter. Eine Woche später etwa besorgte er mir ein Paar gute Schuhe.“

Mieczysław Krause, ehemaliger polnischer Häftling, war von Dezember 1940 bis Mai 1945 im KZ Neuengamme inhaftiert. Interview, 25.7.1984.

Lagersprache

Zwischen den Häftlingen gab es große Verständigungsschwierigkeiten. Die meisten konnten sich nur mit Mithäftlingen ihrer Muttersprache unterhalten. Unter den Schlägen der Aufseher lernten sie jedoch schnell, deutsche Kommandos zu verstehen und ihre Häftlingsnummer auf Deutsch auszusprechen. Auch deutsche Militärlieder mussten sie beim Aus- und Einmarsch singen. Im Lager entstand eine Umgangssprache, die neben deutschen Ausdrücken aus Gefängnissen und dem militärischen Jargon der SS auch Begriffe aus anderen Sprachen, besonders dem Russischen, enthielt – eine aus der Not geborene Kürzelsprache. Für Häftlinge, die die deutsche Sprache beherrschten, bestand eine größere Aussicht, in Funktionen eingesetzt zu werden, die ihre Überlebenschancen erhöhten. Häftlinge mit Fremdsprachenkenntnissen wurden manchmal als Dolmetscher eingesetzt.

„Als Französischsprachige verstanden wir die erteilten Befehle nicht, wir wurden beleidigt, geschlagen. Wir holten Hilfe bei einem Gefangenen, der auch am Ort war, der Deutsch verstand und die Befehle übersetzte.“

 René Fontaine, ehemaliger belgischer Häftling, war ab September 1944 im KZ Neuengamme (u. a. im Außenlager Hannover-Misburg) inhaftiert. Bericht, 7.7.1986. Übersetzung.

„Es gab immer Häftlinge, die übersetzten. Wenn Franzosen, die nicht Deutsch sprachen, mit ihrer Nummer aufgerufen wurden, oder wenn sie ihre Nummer melden sollten, gab es allerdings Probleme. Wir wurden ja nicht mit Namen genannt, sondern mit Nummern.“ 

Georges Jidkoff, ehemaliger französischer Häftling, war von Mai 1944 bis April 1945 im KZ Neuengamme (überwiegend im Außenlager Salzgitter-Watenstedt) inhaftiert. Interview, 31.1.1987.

virtuelle Ausstellungen

Die Hauptausstellung „Zeitspuren“ sowie die übrigen Ausstellungen der KZ-Gedenkstätte Neuengamme stehen auch in der Mediathek digital zur Verfügung.

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